Max Pechstein, Brücke (Große Mühlengrabenbrücke), 1921
Kunstsammlungen Zwickau
Frühling 1921: Max Pechstein entdeckt Leba an der pommerschen Ostseeküste für sich. Ihn treibt der Reiz am Neuen, an sich wandelnden Lichtstimmungen und Farben. Das von atmosphärischen Blau- und Grüntönen dominierte Gemälde Brücke setzt die große Mühlengrabenbrücke von Leba eindrucksvoll von unten gesehen in den Fokus. Bildbestimmend wird neben der ausdrucksstarken Farbstimmung die Spannung aus horizontaler Brücke samt Geländer im oberen Bilddrittel und den sie tragenden, vertikalen Pfeilern, die aus dem Wasser ragen. Gerade überqueren vier Fußgänger die Brücke in beide Richtungen. Abstrahierte Häuser im Hintergrund, Vegetation und Boote links und rechts des Grabens flankieren die Szenerie, wobei das Wasser mit seinen effektvollen Spiegelungen mehr als die Hälfte des Bildes einnimmt. Der Flächigkeit der Gesamtkomposition steht die Tiefenwirkung gegenüber, die Pechstein durch die Staffelung der zum Vordergrund immer größer werdenden Boote erreicht. Himmel und Wasser teilen sich dabei das satte Blau, das nur von den Rot- und Gelbtönen der Bauten voneinander getrennt wird. Nicht zufällig hier konzentriert, bringt dieser Primärkontrast das Gemälde direkt aus dem Zentrum heraus zum Leuchten und betont dabei Licht- wie Schattenzonen. Pechstein bedient sich neben dieser reduzierten, kontrastreichen Farbpalette der Kraft des grafischen Elements, das nicht zuletzt durch die die Form begleitende Kontur verstärkt wird. Zusammen mit den mit lockerer Hand aufgebrachten und der Vereinfachung verpflichteten Pinselstrichen steht das Gemälde in direkter Tradition der expressionistischen Werke Pechsteins. Das ungestüm Leidenschaftliche wird bereichert um die sich über die Komposition legende Stimmung aus Intensität und Ruhe und verrät den reiferen Künstler. Die „Brücke“ gehört nicht nur zu den über 50 Arbeiten in Öl, die diesen ersten Aufenthalt zu einem für Pechstein überaus produktiven werden lassen, sondern zählt innerhalb derer wie auch aller Leba-Darstellungen zu den stärksten.
Annika Weise
Provenienz: Carl Steinbart, Berlin [ca. 1921 beim Künstler erworben – 1923]; danach Privatsammlung, Berlin; Galerie von der Heyde Berlin [Kommissionsware, nach 1939]; Privatsammlung, Norddeutschland [Ende 1930er/Anfang 1940er Jahre bis 2020]; Seit 2020 KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU. Max Pechstein
Weitere Förderer: Hermann Reemtsma Stiftung, Kulturstiftung der Länder
Abbildung: Max Pechstein, Brücke, 1921, Öl auf Leinwand, signiert u. l. HMPechstein; Rückseite vom Künstler bez.: × Brücke / HM Pechstein 1921,80 cm × 100 cm
© Pechstein – Hamburg / Tökendorf