Mit den Augen Mainz umwandern. Restaurierung eines Gemäldezyklus von Christian Georg Schütz aus der Staatsgalerie Aschaffenburg
Doerner Institut, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
In den Jahren von 1781 bis 1786 schuf der in Diensten des Mainzer Hofs stehende Maler Christian Georg Schütz der Ältere (1718–1791) für seinen Dienstherrn, den Kurfürsten und Erzbischof Friedrich Karl Joseph von Erthal, einen 14teiligen Zyklus mit Ansichten der Stadt Mainz und Umgebung. Nach ihrer Fertigstellung vermutlich in der Mainzer Martinsburg präsentiert, verblieb die Bilderfolge jedoch nur kurz an ihrem Bestimmungsort: 1792 wurde Mainz von französischen Revolutionstruppen besetzt, der kurfürstliche Hof siedelte in die Nebenresidenz Aschaffenburg über. Im Jahr darauf, nach Belagerung und teilweiser Zerstörung, wurde die Domstadt durch preußische Truppen befreit. Im Oktober 1794 ist die Verschiffung von Mobiliar von Mainz nach Aschaffenburg belegt; wahrscheinlich wurde auch die kurfürstliche Gemäldesammlung bei dieser Gelegenheit in die Zweitresidenz verbracht. 1814 fiel Aschaffenburg mit Schloss und Gemäldegalerie dem Königreich Bayern zu. 1923 wurde der Bestand wegen der drohenden Besetzung Aschaffenburgs durch französische Truppen nach München gebracht. Nach der Rückführung 1927 erfolgte 1939 die erneute Räumung und Bergung der Gemäldesammlung.
Von dem ursprünglich 14teiligen Zyklus haben sich zehn Gemälde im Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen erhalten. Seit 1964, mit der Wiedereröffnung der Staatsgalerie Aschaffenburg, waren Teile davon zusammen mit einer Folge von Ansichten Aschaffenburgs von Ferdinand Kobell (1740–1799) dauerhaft dort ausgestellt. Erst mit den Vorarbeiten für die 2022 anstehende Neueinrichtung der Staatsgalerie stellte sich heraus, dass die Präsentation um drei Werke erweitert werden kann, die bislang im Depot der Alten Pinakothek verwahrt wurden.
Nun wird erstmals wieder der enge Zusammenhang der weitgehend erhaltenen Serie ersichtlich: Den Auftakt bildet der Blick von Mainz nach Norden auf Schloss Biebrich (bisher fälschlich als „Rheinlandschaft bei Hochheim“ bezeichnet), das auch in anderen Werken der Serie als Landmarke dient. In den folgenden Gemälden wechselt der Standort des Malers vom linken auf das rechte Rheinufer, den Main hinauf bis Hochheim und zurück bis in den Süden von Mainz mit der „Ansicht der Weisenau“. Dabei wird die Stadtkulisse aus verschiedenen Himmelsrichtungen gezeigt, und weitere markante Gebäude wie der Dom, die Martinsburg, die Brücke nach Mainz-Kastel, St. Kilian in Kostheim oder die Karthause und Schloss Favorite rücken ins Bild.
Aufgrund unterschiedlicher Erhaltungszustände und früherer Restaurierungsmaßnahmen ist die Bildwirkung der Gemälde derzeit beeinträchtigt und höchst heterogen. Die nunmehr ermöglichte Restaurierung wird die besondere Qualität der Malerei im Stil des frühen Klassizismus mit ihren zahlreichen kulturhistorisch interessanten Details wieder unmittelbar anschaulich werden lassen. In der neu gehängten Aschaffenburger Staatsgalerie sollen die Werke in ihren erhalten gebliebenen historischen Rahmen nun als geschlossener Komplex kurmainzischer Territorien so präsentiert werden, dass der Besucher dieser Wanderung um Mainz, im Norden beginnend und rheinaufwärts nach Süden führend, folgen kann.
Abbildungen:
1 Dipl.-Restauratorin Amelie Stange, München, und Dipl.-Restauratorin Eva Ortner M.A., Direktorin des Doerner Instituts, vor dem Gemälde „Ansicht der Weisenau bei Mainz“ von Christian Georg Schütz d. Ä., 1780/85, Leinwand, 88 x 125 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Staatsgalerie im Schloss Johannisburg Aschaffenburg, Inv.-Nr. 6566
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Foto: Sibylle Forster
2 Christian Georg Schütz d. Ä., „Blick auf das kurmainzische Lustschloss Favorite und die Kartause von Westen“, 1784, Leinwand, 90,3 x 127,7 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Staatsgalerie im Schloss Johannisburg Aschaffenburg, Inv.-Nr. 6564
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Foto: Sibylle Forster
3 Christian Georg Schütz d. Ä., „Blick auf Mainz von Süden“, 1784, Leinwand, 89 x 125 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Staatsgalerie im Schloss Johannisburg Aschaffenburg, Inv.-Nr. 9789
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Foto: Sibylle Forster
4 Christian Georg Schütz d. Ä., „Blick auf Mainz von Norden“, 1786, Leinwand, 90,3 x 127,5 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Staatsgalerie im Schloss Johannisburg, Aschaffenburg, Inv.-Nr. 6569
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Foto: Sibylle Forster
»Der Zyklus mit Ansichten der Stadt Mainz und Umgebung von Christian Georg Schütz dem Älteren zählt zum Kernbestand der Staatsgalerie Aschaffenburg. Dass die Gemälde dank der Förderung durch die Ernst von Siemens Kunststiftung gerade jetzt restauriert werden können, ist für uns ein Glücksfall. Dadurch wird es möglich, die Werke zur Wiedereröffnung der Staatsgalerie 2022 restauriert und erstmals als zusammenhängende Folge zu zeigen. Die Corona-Förderlinie erlaubt außerdem die Fortsetzung unserer Zusammenarbeit mit freien Restaurator*innen, deren Können und Arbeitskraft für unser Haus unverzichtbar sind.«
Eva Ortner, Direktorin des Doerner Instituts, Bayerische Staatsgemäldesammlungen
Ein Projekt der Corona-Förderlinie für Selbständige in Museen und Sammlungen