Mittelalterliches Kruzifix, um 1150
Stadtmuseum Kaufbeuren
Die Kruzifix-Sammlung im Stadtmuseum Kaufbeuren geht auf die Sammlung von Pfarrer Richard Wiebel zurück, der um 1900 in Irsee tätig gewesen war. 1934 kam der Bestand in das Stadtmuseum und wurde seither gezielt ergänzt, so dass die Sammlung heute über 300 Kruzifixe umfasst. Anlässlich der Neukonzeption des Stadtmuseums werden die Kruzifixe restauriert.
Am Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft der Technischen Universität München kann dank finanzieller Unterstützung durch die Ernst von Siemens Kunststiftung ein romanischer Kruzifixus aus der Sammlung des Stadtmuseums Kaufbeuren wissenschaftlich bearbeitet werden. Das im Museumsinventar um 1250 datierte Exponat, das vermutlich aus der Gegend um Landsberg stammt, kann aufgrund der bisherigen material- und kunsttechnologischen Untersuchungsergebnisse wohl um etwa 100 Jahre älter eingestuft werden.
Der Kruzifixus zeigt Christus als König. Der Körper ist in leichter Untersicht gegeben, der Kopf schräg nach rechts auf die Brust gesunken. Der Körper hängt mit übereinander gelegten – zu klein ergänzten Füßen – am Kreuzbalken. Die Stellung der Waden verrät, dass der Kruzifixus ursprünglich als Dreinageltypus konzipiert gewesen war. Die ursprüngliche Armstellung war waagrecht, heute zeigen die Arme leicht schräg nach oben. Das Lendentuch wird durch ein breites Zingulum ohne Knoten auf der Hüfte gehalten. Der Bart ist mit aufwendig geschnitzten eingedrehten Löckchen gestaltet. Der Hinterkopf erscheint kahl, geschnitzte Haarsträhnen sind nicht vorhanden. Eine Krone mit sieben Dreipässen als Zackenabschluss ist mit zwei Metallnägeln am Kopf befestigt (wohl noch mittelalterlich).
Der Korpus ist an ein jüngeres T-förmiges Kreuz mit zwei Metallnägeln montiert.
Der Kruzifixus war ursprünglich aus zwei Pappelholzstücken zusammengesetzt. Beide Arme einschließlich der Schultern sind aus einem durchgehenden Stück geschnitzt und rückseitig jochartig in den Oberkörper eingelassen. Verbunden sind beide Teile mit vier Pappelholzdübeln. Über alle Fugen verlaufen rückseitig Ritzungen, für einen besseren Halt von Wergabklebungen. Rückseitig reicht vom Gesäß zu den Kniekehlen eine Aushöhlung – es gibt keinen Hinweis darauf, dass diese je mit einem Brett verschlossen gewesen wäre.
Erhalten hat sich unter zahlreichen Überfassungen eine bemerkenswerte barockzeitliche Fassung und mehrere mittelalterliche Fassungen. Auch die ursprüngliche Bemalung ist weitgehend vollständig erhalten und auf der Rückseite sichtbar. Die ursprüngliche Bemalung des Kruzifixus’ zählt zu den seltenen sehr gut erhaltenen Beispielen der romanischen Zeit und wird derzeit am Lehrstuhl für Restaurierung der TUM freigelegt. In einem ersten Schritt wird die ebenfalls weitgehend erhaltene barockzeitliche Bemalung freigelegt. Die komplizierten Freilegungsarbeiten werden ausschließlich unter dem Mikroskop und weitgehend mechanisch durchgeführt.