Nach 200-jähriger Odyssee sind die Heiligen Ottilia und Cäcilia wieder zurück
Historisches Museum Frankfurt
Der kurz nach 1500 entstandene Annenaltar des Meisters von Frankfurt kann auf ein wechselvolles, von den politischen Wirren der Zeit geprägtes Schicksal zurückblicken. Der Künst- ler und seine Antwerpener Werkstatt schufen das Triptychon für einen bislang nicht bekannten Auftraggeber zur Aus- schmückung des 1492 geweihten „Altars bei der Kapelle des Winrich Monis“ in der Frankfurter Dominikanerkirche. Der geschlossene Altar präsentiert auf vier Halbgrisailletafeln jeweils zwei Heilige: Agnes und Lucia, Martin von Tours und Valentin, Joseph mit dem Christuskind und Gregor den Großen, Ottilia und Cäcilia. Nach dem Öffnen erblickt man das Mittelbild mit der Heiligen Sippe und die beiden Flügel mit der Geburt und dem Tod der Maria. Die ebenfalls in Grisaille- technik gemalten Predellenbilder zeigen den Kindermord von Bethlehem und die Flucht nach Ägypten. Vor 1776 wurde der Altar zersägt und auf zwei Standorte verteilt: die Marienbilder hingen an der Nordwand der Domini- kanerkirche, während die Heiligenbilder das Winterrefektori- um schmückten. Als nach der Säkularisierung der Frankfurter Kirchen und Klöster der Basler Kupferstecher, Verleger und Kunsthändler Christian von Mechel 1804 ein Inventar des Kunstbesitzes erstellte, erwähnte er weder die Predellen- bilder noch die Grisaille mit den Heiligen Ottilia und Cäcilia. Vermutlich waren diese Tafeln des Altars in der Zwischen- zeit in Privatbesitz gelangt. Alle übrigen wurden – zusammen mit den anderen „aus alteinheimischen kirchlichem Besitz herrührenden Gemälde(n)“ vom Großherzog von Frankfurt, Carl von Dalberg, erworben und dem mit seiner Unterstützung 1808 gegründeten „Frankfurter Museum“ geschenkt. Dessen Sammlungen befinden sich heute im Besitz des historischen museums frankfurt. Die Tafel mit den Heiligen Ottilia und Cäcilia erwarb der Amsterdamer Kunsthändler Jacques Goudstikker 1929 aus einer Berliner Sammlung. Das Gemälde wurde im Juli 1940 von den Nazionalsozialisten nach der Besetzung der Niederlande requiriert und von den Alliierten 1945 der niederländischen Regierung übertragen, die es dem Museum Catharijneconvent in Utrecht als Leihgabe zur Verfügung stellte. Die Erben Goudstikkers erwirkten 2006 die Restitution des Gemäldes durch den niederländischen Staat und haben es dem historischen museum frankfurt zum Kauf angeboten. Nach einer „Odyssee“ von über 200 Jahren kehren die Heiligen wieder an ihren Heimatort zurück. Ab dem Sommer 2012 wird der – auch dank der temporären Leihgabe der fehlenden zwei Predellenbilder durch die Staatsgalerie Stuttgart – vervollständigte Annenaltar in der neuen Dauerausstellung des historischen museums frankfurt zu sehen sein.
Dr. Wolfgang P. Cilleßen
Abbildung:
tafel des Annenaltars, kurz nach 1500, Ölmalerei auf Eiche, 101,5 cm x 56 cm, © historisches museum frankfurt