Neuer Farbglanz für drei Brücke-Gemälde im Wilhelm Lehmbruck Museum, 1909-1919
Wilhelm Lehmbruck Museum
Das Wilhelm Lehmbruck Museum ist eines der international renommiertesten Museen für Skulptur. Die Pflege, Bewahrung, Präsentation und Vermittlung des gesamten Lebenswerkes des Duisburger Bildhauers Wilhelm Lehmbruck, das die Basis dieser herausragenden internationalen Sammlung von Skulpturen des 20. Jahrhunderts bildet, ist von zentraler Bedeutung. Neben diesem Bestand stellt die Sammlung internationaler Skulptur und Objektkunst der Moderne das Kernstück des Lehmbruck Museums dar. Sie umfasst bedeutende Beispiele der Klassischen Moderne, des Expressionismus, des Surrealismus und der konstruktivistischen Skulptur. Bedeutender Teil der Museumssammlung ist der herausragende Bestand deutscher Malerei, der von der Jahrhundertwende bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts reicht. Die heutige Gemäldesammlung des Lehmbruck Museums wurde überwiegend in der Zeit von 1945 bis 1970 durch den damaligen Direktor Gerhard Händler erworben. Zu den Meisterwerken der Sammlung gehören Werke der Brücke-Künstler Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Max Pechstein und Otto Mueller sowie des ihnen verbundenen Emil Nolde, aber auch Arbeiten von Künstlern wie August Macke, Heinrich Campendonk und Christian Rohlfs aus dem rheinischwestfälischen Raum. Gemälde von Alexej von Jawlensky, Oskar Kokoschka und den Sturm-Künstlern Johannes Molzahn und Thomas Ring ergänzen die Gemälde des Expressionismus der Brücke- Künstler. Innerhalb dieser exzellenten Gemäldesammlung bilden die folgenden drei Arbeiten der Künstler der expressionistischen Künstlergruppe Brücke wichtige kunsthistorische Eckpfeiler.
Erich Heckel, Windmühle in Dangast, 1909, Öl auf Leinwand, 71 x 80,5 cm
Provenienz: Erworben 1955 vom Graphischen Kabinett Günther Franke, München, verkauft im Auftrag des Künstlers
Das Werk entsteht im Spätsommer des Jahres 1909 in Dangast, einem kleinen Fischerort am Jadebusen in Oldenburg, wo Heckel zwischen 1907 und 1911 regelmäßig die Sommermonate verbringt. In Windmühle in Dangast, einem Höhepunkt seines Frühwerks, ist der Einfluss van Goghs – seinem Vorbild – nur noch als Nachhall spürbar. Heckel gelingt es, die empfangenen Anregungen in eine eigenständige bildkünstlerische Gestalt umzuwandeln. Die ungebrochenen Farben sind klarer, leuchtender, nicht mehr pastos aufgetragen, sondern dünn und leicht verteilt. In den Jahren von 1908 bis 1910 verändert sich die Farbgebung Heckels dahingehend, dass der wilde, pastose Umgang mit Farbe zugunsten eines verdünnteren Farbauftrages substituiert wird. Die materiell-haptische Präsenz der Farbe auf der Bildoberfläche erscheint in dieser Zeit weniger wichtig als die phänomenale, optische Gesamterscheinung des Bildes. Heckel versucht sich an matten Oberflächen, an denen sich das Licht möglichst diffus brechen kann. Er erreicht dies höchstwahrscheinlich durch Verwendung von Terpentinersatz oder Petroleum als Malmittel. Waren die Farbtöne der Jahre 1906 und 1907 noch auf der Palette gemischt, mit Weiß, Grau und Nachbarfarbtönen, nehmen nun die ungemischten Farbpartien stark zu. Der Pinselstrich wird breiter und nicht mehr in der Art van Goghs parallel gesetzt, sondern frei und locker aus der Handbewegung heraus ausgeführt. Es bleiben Teile der hell grundierten Leinwand unbedeckt, was einerseits die Spontaneität des Malvorgangs, andererseits die ursprüngliche Vitalität der gemalten Landschaft unterstreicht.
Zustand des Werkes
Das Gemälde weist einige Malschichtlockerungen auf, vor allem im unteren Bereich der Leinwand sowie an einigen Stellen im oberen Bereich im Blau. Im Bereich der roten Häuser in der Bildmitte zeigt sich eine leicht krepierte Fläche, die gefestigt werden soll. Über das gesamte Bild verteilt finden sich zudem Fehlstellen und ein längerer Kratzer. Die Restauratorin Petra Bachmann soll die komplette Malschichtlockerungen festigen und die Fehlstellen sowie der Kratzer sollen gekittet sowie retuschiert werden.
Ernst Ludwig Kirchner, Die Holzschale 1910, Öl auf Leinwand, 60,50 x 70,50 cm
Provenienz: Erworben 1951 aus dem Nachlass von Prof. Fischer
Das Jahr 1910 ist das letzte Jahr, das Kirchner noch in Dresden verbringt, bevor er sein Atelier 1911 nach Berlin verlegt. Die Werke, die in dieser Zeit entstehen, markieren den Höhepunkt und Abschluss von Kirchners Frühwerk, das stark vom Einfluss außereuropäischer Kunst geprägt ist. Immer wieder besucht Kirchner in dieser Zeit das Völkerkundemuseum und zeichnet vor den dort ausgestellten Artefakten aus Afrika und Ozeanien. Reflexe dieser Studien finden sich in zahlreichen Werken der Dresdener Zeit. So auch in dem Gemälde Die Holzschale. Die am Rand der Schale hockenden und die Schale haltenden Figuren erinnern an die berühmten Balkenreliefs aus Palau. In seinem Gemälde grenzt Kirchner die Bildgegenstände Schale, Früchte und Krug durch Farbkontraste voneinander ab. Die Farben sind dabei jedoch so gewählt, dass sie trotz ihrer Komplementarität nicht hart kontrastieren, sondern eine Farbharmonie ergeben. Die starke Aufsicht, die Kirchner wählt, verdeutlicht die Bedeutung der Farbflächen als Ausdrucksträger. Schwarze, kräftige Konturen erhöhen die flächenhafte Wirkung der gegenständlichen Motive und unterstreichen die Reduktion der abgebildeten Darstellung auf einfache Formen. Stillleben sind in Kirchners Malerei vergleichsweise selten zu finden; aus seiner Dresdener Zeit existieren nur fünf Gemälde dieser Art, was diesem Werk des Lehmbruck Museums eine besondere Bedeutung verleiht.
Zustand des Werkes
Die Malschicht des Gemäldes ist insgesamt sehr mager, abgesehen von den grünen Partien finden sich in der gesamten Bildfläche Bereiche, die gefestigt werden müssten. An wenigen Stellen müssten zudem kleinere Fehlstellen gekittet und retuschiert werden.
Ernst Ludwig Kirchner, Bergwaldweg, 1919, Öl auf Leinwand, 100,5 x 75 cm
Provenienz: Erworben 1955 von der Galerie Wilhelm Grosshenning, Düsseldorf Im Jahr 1917 reist
Ernst Ludwig Kirchner nach mehreren Sanatoriumsaufenthalten zum ersten Mal nach Davos in die Schweizer Alpen. Nachdem er sich im Herbst 1918 dauerhaft im Haus in den Lärchen niedergelassen hat, verbessert sich sein Allgemeinbefinden zunehmend. Zu alter künstlerischer Form und Produktivität findet er aber erst gegen Ende des Jahres 1918 zurück. Die neue Umgebung hat dabei entscheidenden Einfluss auf seine Kunst. Kirchner erarbeitet sich seine neue Umgebung mit künstlerischen Mitteln und verändert dabei seinen malerischen Stil erneut. An die Stelle der grellfarbigen, nervös wirkenden Berliner Straßenszenen treten stimmungsvolle Berglandschaften und Schilderungen aus dem einfachen Leben der Bauern. Der 1919 entstandene Bergwaldweg gehört dabei zu den frühen Schweizer Landschaftsgemälden Kirchners. Da der Künstler seine Bildthemen stets aus seiner persönlichen Umgebung und Lebenswelt bezieht, lassen sich viele Bildmotive identifizieren: So befindet sich der reale Bergweg des Gemäldes zwischen dem Haus in den Lärchen und der Stafelalp, auf der Kirchner im Sommer 1919 gearbeitet hat. Die ganze Darstellung ist in Blau-, Grün-, Rot- und Violetttönen gehalten. Die kontrastreiche Farbzusammenstellung bestimmt wesentlich den Bildeindruck. Je weiter sich die Farben von der Natur entfernen, desto mehr werden sie zu subjektiven Ausdrucksformen. 1921 schreibt Kirchner hierzu: „Die Änderung der Form und der Proportionen sind nicht Willkür, sondern dienen dazu, den geistigen Ausdruck groß und eindringlich zu gestalten (…). Auch die Farbe ist nicht die der Natur, sondern eine aus der Gestaltungsabsicht des Malers geborene.“
Zustand des Werkes
Das Gemälde weist zahlreiche Malschichtausbrüche auf, diese wurden bei einer vorangegangenen Restaurierung ohne Kittung retuschiert. In der linken oberen Ecke zeigen sich zudem ein ungleichmäßiger Glanzbereich und unklare Bereiche mit Firniskrepierung. Die Restauratorin Petra Bachmann müsste eine Malschichtfestigung, Kittungen und Retuschen vornehmen und unter Umständen in einigen Bereichen den Firnis ausdünnen.
Abbildungen :
1 Erich Heckel, Windmühle in Dangast, 1909, Öl auf Leinwand, 71 x 80,5 cm
2 Ernst Ludwig Kirchner, Die Holzschale 1910, Öl auf Leinwand, 60,50 x 70,50 cm
3 Ernst Ludwig Kirchner, Bergwaldweg, 1919, Öl auf Leinwand, 100,5 x 75 cm
© Fotos: Bernd Kirtz
»Durch die wertvolle Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung wird eine aktuell notwendige Restaurierung von Meisterwerken der beliebten Brücke-Sammlung des Lehmbruck Museums ermöglicht. Diese Restaurierung ist eine unerlässliche Voraussetzung für die zukünftige Präsentation und Ausleihe der Werke. Ich bin sehr dankbar, zum Erhalt dieser hochkarätigen Sammlung beitragen zu können.«
Petra Bachmann, Diplom Restauratorin
Ein Projekt der Corona-Förderlinie für Selbständige in Museen und Sammlungen