Neuzugang für die Staatliche Graphische Sammlung: der Karton zu Overbecks "Italia und Germania"

Staatliche Graphische Sammlung München

Die monumentale Zeichnung ist der bildhaft vollendete, maßgleiche Karton zu Overbecks Gemälde „Italia und Germania“ in der Neuen Pinakothek. In Zeichnung und Gemälde vereinigen sich die Themen Freundschaftsbild und Allegorie der Kunst. Die Bildidee war aus Overbecks Verbundenheit mit dem Maler Franz Pforr erwachsen. Die beiden Künstler hatten 1810 vor dem gemeinsamen Aufbruch von Wien nach Rom gegenseitige Bildwidmungen beschlossen. Benannt nach den berühmtesten Bräuten des Alten und des Neuen Testaments, sollten Sulamith und Maria ihrer beider „Arten der Malerei“ versinnbildlichen. Pforr gab seinem 1812 vollendeten Bild die Form eines spätgotischen Diptychons: links sitzt die Overbeck zugeordnete Sulamith vor einer italienischen Landschaft, rechts die Pforr zugedachte Maria im altdeutschen Butzenscheiben-Gemach (heute: Museum Georg Schäfer, Schweinfurt). Overbeck dagegen konzipierte sein an der späten Quattrocento-Malerei orientiertes Zweifigurenbild für Pforr im Großformat. Es sind drei zeichnerische Vorarbeiten bekannt: das Brustbild zweier Mädchen (heute: Cambridge/Boston, Mass., Longfellow House), ein flüchtig ausgeführter Karton (heute: Lübeck, Museum für Kunst und Kulturgeschichte) und der für München erworbene. Wahrscheinlich darf der Karton, den Overbeck – gemäß Tagebucheintrag von 1811 – mit Pforr betrachtete, mit dem in Lübeck aufbewahrten gleichgesetzt werden und der 1812 „zu zeichnen angefangene“ mit dem hier vorgestellten. Das Motiv der gegenseitigen Zuneigung übernahm Overbeck aus einer Zeichnung Pforrs. Konzentriert auf linearen Umriss und modellierende Schraffur, schuf Overbeck in dem Karton ein autonomes Werk von zeichnerischer Vollendung. In der kunsttheoretischen Überzeugung, dass die große Zeichnung den geistigen Gehalt des Werks in sich berge, wurde die Übertragung in die Malerei als ein versinnlichender Akt von sekundärer Qualität bewertet. Bis zur Vollendung des Bildes 1828 waren, wie Overbeck erkärte, „aus den Bräuten ein Paar erhbarer Frauen geworden, die Frauen Germania und Italia.“

Gisela Scheffler

Abbildung:

Johann Friedrich Overbeck, Italia und Germania, Schwarze Kreide auf Papier, aus neun Blättern zusammengesetzt, 1815 ff
©Staatliche Graphische Sammlung München