Oskar Zwintscher, Fruchtsegen, 1913

Albertinum / Galerie Neue Meister

Oskar Zwintscher (1870–1916) schuf in der Zeit um 1900 in Meißen und Dresden virtuos ausgeführte Hauptwerke symbolistischer Malerei – allegorisch-mythologisch aufgeladene Bilder ebenso wie altmeisterlich-feinfühlige Porträts. Sein Ruhm mündete 1910 in einer Einzelausstellung auf der Biennale von Venedig. Das großformatige Gemälde „Fruchtsegen“ stammt aus Zwintschers späten Schaffensphase. Seine ungewöhnliche Ikonografie verbindet sich mit einer großen Bravour des malerischen Vortrags. Das ornamentale Flächenmoment der üppigen Flora entlang eines von Steinmauern umfassten Hanges wurzelt in der Kunst des Jugendstils und lässt Vergleiche mit Bildern von Gustav Klimt oder Karl Mediz zu. Gleichwohl besitzt das Gemälde große Eigenständigkeit in seiner künstlerischen Invention. Über der dargestellten Blüten- und Früchtepracht verweist die Mutter-Kind-Gruppe in einer grün umrankten Pergola, die zugleich als Ädikula zu deuten ist, auf christliches Gedankengut, das sich mit einer paganen Tradition vermengt: Mutter- und Fruchtbarkeitskult finden in der Gestalt Marias ebenso ihren Ausdruck wie in jener der antiken Göttin Ceres / Demeter. Von der Pergola herab blickt die Gruppe auf einen grünen Pflanzenteppich, durchsetzt von Äpfeln, Pfirsichen, Birnen, Orangen und Blumen, anhand derer der spätsommerliche Reichtum der Natur verherrlicht wird. Die Ornamentik setzt sich fort in dem hohen, von bewegten Wolken zergliederten Himmel, dessen leuchtendes Blau für Zwintschers Palette überaus typisch ist. Durch seine Verbindung von Landschaftsdarstellung und symbolistischem Gehalt ist das Ölbild eine ideale Ergänzung der aktuell 15 Gemälde umfassenden Werkgruppe Zwintschers im Albertinum. Aus den entwicklungsgeschichtlich spannenden Jahren zwischen 1905 und 1915 konnten bislang lediglich drei Porträts von seiner Hand erworben werden. Der frühere Besitzer des „Fruchtsegens“, Eduard Merzinger (Prag 1872 – 1932 Dresden), war ein bedeutender Mäzen und Sammler, der zu Lebzeiten eng mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden verbunden war: Bereits 1919 hatte er die Porzellansammlung mit zwei chinesischen Schalen bedacht.


Andreas Dehmer

Provenienz: 2019 erworben aus Sammlungsnachlass der Familie Eduard Merzinger (sen.), mit Hilfe der Ernst von Siemens Kunststiftung und dem Verein Freunde der Galerie Neue Meister e.V.

Abbildung: Oskar Zwintscher, Fruchtsegen. 1913 Öl auf Leinwand, 125 x 105 cm, Bez. l. u.: OZ (monogrammiert) 1913, Albertinum / Galerie Neue Meister, Inv.-Nr. 2020/01

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