Otto Mueller, Kniender weiblicher Akt

Kunsthalle Mannheim

Im Jahr 1913 wurde die aquarellierte Monotypie „Hockende“ von Otto Mueller aus einer von Franz Marc initiierten, zugunsten der in Berlin lebenden Künstlerin Else Lasker-Schüler stattfindenden Auktion von dem Galeristen Paul Ferdinand Schmidt erworben. Dieses Blatt ist einmal mehr ein schönes Beispiel für die ausgesprochen qualitätsvolle Ankaufspolitik des ersten Direktors der Kunsthalle Mannheim Fritz Wichert und seines Mitarbeiters Gustav Friedrich Hartlaubs, die bereits kurz nach der Gründung des Museums im Jahr 1909 Kunst der damals avantgardistischen Künstler des Expressionismus ankauften. Allein die Tatsache, dass es sich bei der Knienden um eine Monotypie handelt, macht das Blatt zu einer Rarität. Die progressive Ankaufspolitik der Kunsthalle Mannheim sollte in Zeiten der „Kulturpolitik“ der Nationalsozialisten fatale Folgen haben. 1937 wurde die „Hockende“ mit fünf weiteren Blättern Otto Muellers und zusammen mit über 400 anderen Kunstwerken expressionistischer und anderer Künstler aus der Graphischen Sammlung der Kunsthalle Mannheim als „entartete Kunst“ beschlagnahmt.

Die Otto Mueller-Expertin Dr. Tanja Pirsig-Marshall datiert das Werk um 1912. Somit entstand die „Hockende“ in der entscheidendsten und wichtigsten Phase von Otto Muellers künstlerischem Schaffen. 1910 war der gelernte Lithograph und an der Dresdner Kunstakademie ausgebildete Künstler in Berlin mit den Gründungsmitgliedern der „Brücke“ in Kontakt gekommen und wurde in deren illustren Kreis aufgenommen. Es entwickelten sich intensive Zusammenarbeit und auch Freundschaften mit den Künstlern Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Hermann Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff.
Die Sehnsucht nach einer Einheit von Mensch und Natur findet ihren Ausdruck in den zahlreichen Aktdarstellungen in der Landschaft, die ein typisches Motiv bei Mueller wie auch seinen Malerkollegen aus dieser Zeit sind. Insbesondere bei Mueller finden sich gerade in der Zeit um 1912 motivische Anklänge an die Südsee, die als eine idealisierte Verbildlichung jener Sehnsucht nach einer Einheit von Natur und Mensch interpretiert werden müssen.

Dr. Mathias Listl

 

Abbildung:
Otto Mueller, Kniender weiblicher Akt, ohne Datierung, Monotypie, aquarelliert.

Inv.-Nr. G7989
© Kunsthalle Mannheim / Fotograf: Rainer Diehl