Paul Klee, Rhythmus der Fenster 1920

Staatsgalerie Stuttgart

Der Bildhauer Christian Daniel Rauch war mit Alexander von Humboldt (1769-1859) seit 1805 eng befreundet und porträtierte ihn zweimal: zunächst 1823, dann noch einmal 1851 in einer aktualisierten Fassung, die Humboldt im Alter von 82 Jahren zeigt. Die letztere, weich modellierte Porträtbüste ist in (mindestens fünf, möglicherweise acht) zwischen 1854 und 1857 ausgeführten Marmorausführungen erhalten. Für das Museum Bad Arolsen konnte die dritte Fassung erworben werden, die Lord Bloomfield, der damalige englische Gesandte in Berlin, 1857 als Geschenk für seine Frau in Auftrag gegeben hatte.

Das Gemälde Rhythmus der Fenster, entstanden kurz vor der Berufung Klees ans Bauhaus in Weimar, besticht durch den Kontrast zwischen dem blau/violetten, aus abstrakten Farbflecken aufgebauten Grund und dem vorgeblendeten hellen Gittergerüst aus rudimentären Gegenstandszeichen. Wie für die Jahre 1915-20 weitgehend üblich, verzichtet der Künstler auf Figuren – landschaftliche und architektonische Elemente erzeugen im Dialog mit der Farbe eine zeitentbundene, poetisch-zauberhafte Gegenwelt. In der Ölmalerei, die Klee ab 1919 systematisch für sich erobern sollte, findet er eine sehr suggestive Form- und Bildsprache, die auf den vorhergehenden Aquarellen aufbaut und sich gleichzeitig von ihnen absetzt. Nun bestimmen die Grundfarbigkeit und der malerische, von strenger Geometrisierung befreite Pinselduktus den emotionalen Gehalt dieser Arbeiten. Die Farben sollen dabei der abstrakten, jenseitig gerichteten Haltung Ausdruck verleihen, während die chiffrierten Gegenstandszeichen (bzw. die Zeichnung als Gegenpol zur malerisch abstrakten Farbe) die Verhaftung im Diesseitigen andeuten.

Die Erwerbung von Paul Klees Rhythmus der Fenster ist auch wegen der Geschichte des Bildes wichtig: Das Gemälde wurde erstmals bereits im Jahr 1924 von der Staatsgalerie Stuttgart erworben – eine Erwerbung, die aus heutiger und wohl auch aus damaliger Sicht als mutiges Bekenntnis zur Moderne zu werten ist. Nur fünf Jahre zuvor nämlich hatten Oskar Schlemmer und Willi Baumeister, Meisterschüler des Stuttgarter Akademieprofessors Adolf Hölzel, für dessen Nachfolge Paul Klee vorgeschlagen, der dann jedoch nicht berufen wurde. Am 10. Juli und am 27. August 1937 wurden bei zwei Aktionen in der Staatsgalerie Stuttgart insgesamt 54 Gemälde und Skulpturen sowie 355 Arbeiten auf Papier als Werke deutscher „Verfallskunst“ beschlagnahmt, wobei auch Schweizer Künstler wie Altherr oder Klee unter diese Rubrik fielen. Viele der bei der ersten Beschlagnahmung am 10. Juli konfiszierten 16 Arbeiten wurden schon am 19. Juli 1937 in der Femeausstellung „Entartete Kunst“ in München gezeigt. Darunter befand sich auch Klees Rhythmus der Fenster, das seitdem kaum mehr öffentlich zu sehen war.

Dr. Ina Conzen

Abbildung:

Paul Klee, Rhythmus der Fenster 1920
© Staatsgalerie Stuttgart