Reinhold Begas, Pan als Lehrer des Flötenspiels (Bozzetto), ca. 1857
Begas-Haus, Museum für Kunst- und Regionalgeschichte, Heinsberg
Die Freundschaft zu Arnold Böcklin führte Reinhold Begas zur Auseinandersetzung mit dessen antik-heidnischer Bildwelt. Aus dieser Anregung heraus modellierte Begas im Sommer 1857 das Tonmodell zu der Gruppe „Pan tröstet Psyche“, deren vergrößertes Gipsmodell er nach seiner Rückkehr aus Italien 1858 in der Berliner Akademie-Ausstellung präsentierte (AA Berlin 1858, 2. Nachtrag Nr. 1488). In derselben Ausstellung war auch ein 70 cm hohes Modell der Gruppe Pan als Lehrer des Flötenspiels in gebranntem Ton (Nr. 1491) zu sehen. Nach Alfred Gotthold Meyer, Begas‘ erstem Biografen, existierte noch eine kleine „vortreffliche Thonskizze“, die Begas am selben Tag wie das Tonmodell der Pan-Psyche-Gruppe 1857 in Rom geschaffen haben soll (Meyer 1897, S. 23). Die sich im Süddeutschen verlierende Spur und Meyers Erwähnung der Tonskizze lassen vermuten, dass Begas das Stück noch während des letzten Jahres seines ersten, prägenden Romaufenthalts 1856-58 seinem Malerfreund Arnold Böcklin als Freundschaftsgabe übereignet hat. Dies war unter Künstlerfreunden durchaus üblich, wie die im gleichen Jahr erfolgte Schenkung einer bildmäßigen Ölstudie (Terrainstudie aus den Caracalla-Thermen) von Anselm Feuerbach an Reinhold Begas belegt (1858, Öl/Leinwand, 75 x 99 cm, Hamburger Kunsthalle, Inv.-Nr. HK-1466, vgl. AK Berlin, Deutsches Historisches Museum, 2010/11, Kat. 61, S. 318 u. Abb. S. 51).
Bei dem 2012 in den Kunsthandel gelangten, der Forschung bis dahin unbekannten Bozzetto handelt es sich vermutlich um die von Meyer erwähnte „Thonskizze“. Sie besteht aus ungebranntem, nur getrocknetem Ton und ist somit weniger als Modell (denn diese wurden in der Regel gebrannt) denn vielmehr als erste, tastende Umsetzung einer Bildidee anzusehen (was mit Meyers Bezeichnung als „Thonskizze“ korrespondiert). Am Ende dieser Entwicklung stand rund zehn Jahre später die erste bekannte Fassung der Marmorgruppe Pan als Lehrer des Flötenspiels (vgl. Kat. 6.#). Gegenüber der Marmorfassung finden sich mehrere Abweichungen: Der Bozzetto ist noch spiegelverkehrt angelegt. Beim Marmor sitzt Pan auf der linken Seite, das Kind ist weiter nach rechts versetzt, wodurch Begas die Schauseite der Leserichtung des menschlichen Auges – von links nach rechts – anpasste. Die Tonskizze dagegen zeigt eine kompaktere Grundform, deren Hauptakzent auf der vorderen Schmalseite liegt. Stärker als der Marmor und die später nach diesem gegossenen Bronze-Hohlgalvanos (vgl. AK Berlin, DHM, 2010/11, WV 20d) betont die Skizze den innigen Zusammenhalt der Zweiergruppe; wie schützend umfängt der vorgebeugte Körper des Pan die Gestalt des Knaben.
Es ist ein kleines Wunder, dass das Modell trotz seiner Fragilität die Zeitläufe überdauert hat, zumal verworfene Rohentwürfe meist wieder zu Modelliermasse eingestampft wurden. Die Tonskizze ist der erste Rohentwurf und somit als der wohl authentischste Dialog des Künstlers mit seinem Thema anzusehen. Begas selbst schätzte das Material Ton offenbar sehr, denn schon 1853, während der Arbeit an seiner ersten Marmorgruppe Hagar und Ismael (verschollen), schreibt er an den Bruder Oscar in Rom: „Obgleich ich nicht längst [= kürzlich, WC] angefangen habe, in Marmor zu arbeiten, kribbelts mich doch schon wieder nach Ton in den Fingern.“ (Brief an Oscar Begas, Berlin, 27. Januar 1853, Familienarchiv Begas). Für die Arbeitsweise des Bildhauers ist der Bozzetto ein einzigartiges Zeugnis: „Man glaubt, die schnellen, modellierenden Fingerbewegungen des Künstlers noch zu spüren, die den muskulösen Oberkörper des Pan und den molligen Kinderkörper präzise und anatomisch genau herausarbeiteten, dagegen die rechte Hand des Lehrers nur grob anlegten und dessen klobige Hufe und das zottig an Oberschenkeln und Beinen herabhängende Fell sowie die Rückseite des Modells eher nachlässig behandelten. Schmale, plattgedrückte Tonstücke und -streifen werden hier und dort an Stellen „aufgepappt“, wo ein aufgestützter Arm mehr Halt braucht oder eine Lücke ausgeglichen und eine Fehlstelle nachgebessert werden musste. Die ganze Frische der Erfindung, der Reiz der spontanen Modellierung, die noch die Daumenabdrücke, die Spachtel- und Modellierholzschraffen erkennen lassen, strahlt das kleine Bozzetto aus, das Begas offensichtlich als eilige Ideenskizze verstand und lediglich trocknen ließ, ohne es – wie üblich – zur Weiterbearbeitung in Gips abzuformen. Ein Schnitt, zum Teil mit dunkel überstrichenem Gips ausgebessert, zieht sich am Oberkörper entlang des Rückens hin. Ob er von der korrigierenden Hand des Künstlers stammt, der hier etwas ändern oder ersetzen wollte, oder ob eine spätere Bruchstelle verdeckt werden sollte, lässt sich nicht eindeutig sagen. Auch der tief zum Kind herab geneigte Kopf des Pan ist am Hals gekittet, ebenso finden sich am Boden kleine ausgebesserte und überstrichene Stellen.“ (Gutachten Jutta von Simson, vgl. Aukt.-Kat. Villa Griesebach 2012, s. unten).
Dr. Wolfgang Cortjaens
Abbildung:
Reinhold Begas (1831-1911), Pan als Lehrer des Flötenspiels (Bozzetto), 1857 (?). Ton, ungebrannt, 33,5 x 28 x 18 cm.
© Begas-Haus, Museum für Kunst- und Regionalgeschichte, Heinsberg