Restaurierung von 28 Zeichnungen aus dem Nachlass des W.G. Tilesius von Tilenau, um 1803–1807
Universität Leipzig, Kustodie
Als zentrale Einrichtung der Universität Leipzig ist die Kustodie für die Betreuung des gesamten Kunstbesitzes der 1409 gegründeten Hochschule verantwortlich. Zu ihren grundlegenden Aufgaben gehören Inventarisierung, sachgerechte Verwahrung und konservatorische Betreuung der Bestände, ferner Erforschung, Erschließung sowie Präsentation und Vermittlung einzelner Objekte und Sammlungszusammenhänge durch Publikationen, Ausstellungen, Einbeziehung in die Lehre und, wo immer möglich, ihre öffentliche Aufstellung an geeigneten universitären Orten.
Zeichnerische Dokumente einer Weltumseglung
An der Kustodie | Kunstsammlung der Universität Leipzig wird ein wissenschaftsgeschichtlich wie kunsthistorisch hoch bedeutendes Konvolut an Zeichnungen des Naturforschers, Arztes und Zeichners Wilhelm Gottlieb Tilesius von Tilenau (1769–1857) verwahrt, der annähernd zeitgleich mit Alexander von Humboldts Amerikareise (1799–1804) die Welt umsegelt und im Dienst der Forschung gezeichnet und dokumentiert hat. Größtenteils entstanden Tilesius‘ Werke 1803–1807 während der ersten russischen Weltumsegelung unter Adam Johann von Krusenstern. In seiner Doppelbegabung als Naturwissenschaftler und akademisch geschulter Zeichner hielt Tilesius auf der Reise zoologische, botanische, anthropologische und topographische Beobachtungen fest. Farbenprächtige und wissenschaftlich exakte Darstellungen von Vögeln und Fischen und Pflanzen finden sich hier ebenso wie die topographisch korrekte Erfassung von Landschaften, kulturtypischen Bauten und Ereignissen. Viele der zwischen Wissenschaft und Kunst verorteten Blätter tragen um-fangreiche handschriftliche Anmerkungen. Etwas mehr als 50 der Blätter wurden von Tilesius druckgraphisch übertragen und in dem von Krusenstern herausgegebenen Atlas zur Reise um die Welt (1814) publiziert. Weitere Entdeckungen veröffentlichte Tilesius später in Aufsätzen. Erst nach der Reise entstanden rund 25 Zeichnungen zum Skelett von Mammut und Elefant. Sie stehen im Kontext der Rekonstruktion des ältesten, 1799 von europäischen Wissenschaft-lern in Sibirien entdeckten kompletten Skeletts eines Wollhaarmammuts, die Tilesius in Sankt Petersburg realisierte.
Bestand
Der Gesamtbestand des an der Universität Leipzig aufbewahrten zeichnerischen Nachlasses von Wilhelm Gottlieb Tilesius von Tilenau umfasst insgesamt 236 Tusche-, Aquarell- und Gouachezeichnungen. Die Blätter sind zwischen 8,5 x 14 cm und 44 x 68 cm groß und auf verschiedenen europäischen Papieren des frühen 19. Jahrhunderts ausgeführt. Beinahe alle tragen sowohl vorder- als auch rückseitig zum Teil ausführliche handschriftliche Anmerkungen.
Die Bearbeiterin des Projekts
Bearbeiterin des beantragten Projekts ist Dipl.-Restauratorin für Grafik, Archiv- und Biblio-theksgut Bettina Kosel, die von 2002–2019 als leitende Restauratorin der Grafik- und Buchres-taurierung des Museums der Bildenden Künste Leipzig tätig war und sich 2020 selbstständig gemacht hat. Für die Kustodie | Kunstsammlung der Universität Leipzig hat Frau Kosel für den Gesamtbestand der Tilesiuszeichnung eine umfassende Schadensanalyse durchgeführt und die Restaurierungskonzeption erarbeitet sowie einen ersten Teilbestand des Konvoluts res-tauratorisch und bestandserhaltend bearbeitet. Die Aufnahme der Restaurierungsarbeiten am Tilesiusbestand konnte lange nicht in Angriff genommen werden, da kein ortsansässiger Grafikrestaurator mit umfassender Erfahrung im Bereich von aquarellierten Zeichnungen zur Verfügung stand. Für die Kustodie ist es als ausgesprochener Glücksfall zu bezeichnen, mit Frau Kosel nun eine Restauratorin mit ausgezeichneter Expertise in diesem Bereich gefunden zu haben. Auch im Interesse unseres Bestandes und mit Ausblick auf die weitere Zusammen-arbeit möchten wir daher Frau Kosel mit diesem Antrag im Rahmen der Corona-Förderlinie der Ernst von Siemens Kunststiftung unterstützen.
Abbildungen :
1a Das Boot des Hoppu von Kanton, Dezember 1805 Aquarell, Blattmaß: 27,3 x 48,7 cm, Kunstbesitz der Universität Leipzig, Inv. TIL 048
1b Rückseite (Detail) mit handschriftlichen Aufzeichnungen, Fehlstellen in Folge von Tintenfraß und Resten einer ehemaligen Montierung
2a Kokosnuß und ein Ast vom Gipfel des Wunder-baumes in Lissabon, nach 1806. Aquarell, Feder in Schwarz, Blattmaß: 21,7 x 35,3 cm, Kunst-besitz der Universität Leipzig, Inv. TIL061
2b Papiersubstanz stark abgebaut, Fehlstellen und Ausbrüche am unteren Bildrand, ganzflächige Montierung auf alten Träger
3 Pothos cancellatum (Japanische Sumpf-pflanze) 1805, Aquarell, Blattmaß: 52,8 x 35,8 cm, Kunstbesitz der Universität Leipzig, Inv. TIL 041, Fotos: Marion Wenzel
4 Ansicht von Macao von der Landseite mit Blick auf die Camoens-Grotte (Montierung auf Karton der 1960er), 1806, aquarellierte Federzeich-nung, Blattmaß: 39,7 x 71 cm, Kunstbesitz der Universität Leipzig, Inv. TIL172
5 Sparus Dentex (Zahnbrasse), 8. Dezember 1804, Feder, Pinsel, Aquarell über Bleistift, Blattmaß: 17,1 x 28,3 cm, Kunstbesitz der Universität Leipzig, Inv. TIL096, Fotos: Marion Wenzel – Montierung auf Trägerkarton des Zoologischen Instituts, Wasserschäden am rechten Bildrand
6 Diplom-Restauratorin Bettina Kosel
© Kustodie/Marion Wenzel, Fotos: Marion Wenzel
»Wir freuen uns über die Möglichkeit, unsere freiberuflichen Kollegen in der Zeit der Krise zu unterstützen und natürlich darüber, dass die hervorragenden aber zum Teil stark geschädigten Zeichnungen von Wilhelm Gottlieb Tilesius von Tilenau mit dieser Maßnahme vor dem langsamen Verfall gerettet werden können. Das Konvolut ist wissenschaftsgeschichtlich und kunsthistorisch hochbedeutend. Im Dienst der Forschung hielt Tilesius 1803–1806 auf der ersten russischen Weltumseglung seine zoologischen, botanischen, anthropologischen und topographischen Beobachtungen zeichnerisch fest. Daher ist der Bestand auch für ganz unterschiedliche Disziplinen von großem Interesse. Hier an der Kustodie der Universität Leipzig ist eine Ausstellung zu den Werken in Planung.«
Dr. Christine Hübner, Sammlungskonservatorin, Kustodie/ Kunstsammlung der Universität Leipzig
»Es ist unglaublich wertvoll, dass die Ernst von Siemens Kunststiftung den Wert von Bestandspflege und Restaurierung in die Öffentlichkeit trägt und die Begeisterung dafür weckt. Wir sind sehr dankbar, dass sie die freiberuflichen Restauratoren und auch die Sammlungen durch die Krise trägt.«
Dipl.-Rest. Bettina Kosel
Ein Projekt der Corona-Förderlinie für Selbständige in Museen und Sammlungen