Sicherungsarbeiten an einem Abendkleid von Heinz Oestergaard, 1956/57
Stiftung Stadtmuseum Berlin
Das Abendkleid wurde 1956/57 vom Berliner Designer Heinz Oestergaard entworfen und in seiner Couture-Werkstatt für das Starmannequin Irmgard Kunde gefertigt. Es ist durch seine ästhetischen Qualität für zahlreiche Ausstellungen und andere Leihprojekte stark nachgefragt. Heinz Oestergaard zählt heute zu den wichtigsten deutschen Designern der Nachkriegszeit. In seiner Berliner Schaffensperiode fertigte er vor allem Haute Couture Mode an, bevor er sich ab Mitte der 1960er Jahre der Lehre und dem Industriedesign zuwandte. Das schulterfreie Abendkleid ist lang und zeichnet mit der enganliegenden Rockform die Figur der Trägerin delikat nach. Das Oberteil ist auf ein Mieder gearbeitet, die Brustpartie stark ausgeformt und durch Querdrapierung betont. Es wird durch strassbesetzte Spaghettiträger gehalten. Der sehr enge Rock verjüngt sich unterhalb der Hüften wieder, und hat einen hohen, jetzt verblendeten Gehschlitz in der hinteren Mitte. Der Oberstoff ist ein cremefarbener Satin aus Acetat, der ganzflächig mit Vlieseline unterlegt ist, auf ein weiteres Futter wurde verzichtet. Das Kleid ist bis auf die Brustpartie flächendeckend bestickt: Zusammengedrehte Brokatkordeln bilden Ornamente, die mit runden und tropfenförmigen Pailletten und Strassperlen gefüllt sind. Zum Saum hin werden die Ornamente kleiner, die Stickerei sparsamer. Die Pailletten und Strasssteine sind wechselnd eingestickt oder eingekniffen. Das Kleid befindet sich seit 1991 in der Sammlung der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Es ist eine Schenkung der Schwester Irmgard Kundes an das in der Stiftung aufgegangene Berlin Museum und wurde zusammen mit einer Weißfuchsstola mit weißem Satinfutter eingeliefert. Ursprünglich gehörte dazu ein Seidenmantel, der sich nicht erhalten hat. Ein Foto des bekannten Modefotografen Herbert Tobias, auf dem Irmgard Kunde dieses Modell trägt, befindet sich im Besitz der Berlinischen Galerie. Das Foto zeigt, dass keine Pelzstola, sondern ein weiter Seidenmantel dazu getragen wurde. Das Objekt zeigt die Meisterschaft Heinz Oestergaards in besonderer Weise. Stoff und Linienführung geben dem Kleid eine besondere Eleganz. Es zitiert die von Dior vorgeschlagene Y-Linie und steht beispielhaft für das große Können des Modeschöpfers. Dringende Sicherungsarbeiten sollen im Rahmen der Corona-Förderlinie nun den Fortbestand des Objekts garantieren.
Abbildungen:
1 cremefarbenes Abendkleid von Heinz Oestergaard, 1956/57, Material: Cremeweißer Satin aus Acetat; Besatz aus weiß/silbernen Kordeln, facettierte perlmuttfarbene Pailletten und Tropfenformen, klare Rocaille-Perlen und Strasssteine in gekrampter und gefasster Form, Technik: Maschinennäherei, Handnäherei, Stickerei von Hand
2 Detailaufnahme des besonders von Abnutzungen betroffenen Brust-Bereichs
3 Textilrestauratorin Ulrike Herrklotsch bei der Arbeit
© Stiftung Stadtmuseum Berlin
»Die Stiftung Stadtmuseum Berlin und die Berlinische Galerie bedanken sich für die schnelle Unterstützung, die maßgeblich zum Erhalt des eleganten Abendkleides von Heinz Oestergaard beiträgt. Nach den Sicherungsarbeiten der Restauratorin Ulrike Herrklotsch wird das Kleid als Leihgabe in der Ausstellung „Modebilder Kunstkleider“ ab Mai 2021 in der Berlinischen Galerie zu sehen sein. Die Ausleihe wäre ohne die Hilfe der Ernst von Siemens Kunststiftung nicht möglich.«
Heike-Katrin Remus, Sammlungsbetreuerin Mode und Textilien in der Stiftung Stadtmuseum Berlin
Ein Projekt der Corona-Förderlinie für Selbständige in Museen und Sammlungen