Spektakuläre Rückkehr einer Ikone: Fritz Winters "Komposition vor Blau und Gelb" (1955) wieder in Kassel

Neue Galerie Museumslandschaft Hessen Kassel

Die „Komposition vor Blau und Gelb“ (1955) besitzt innerhalb von Fritz Winters Œuvre eine herausgehobene Stellung. Das über 6 Meter breite Gemälde ist hinsichtlich des Formats einzigartig in seinem Schaffen. Als erstes orts- und situationsspezifisches Kunstwerk, das für eine documenta ausgeführt wurde, hatte Fritz Winter auf der ersten documenta einen vielbeachteten Auftritt. Das Großformat war gegenüber von Pablo Picassos „Mädchen vor einem Spiegel“ (1932) aus dem New Yorker MoMA ganz zentral im großen Malereisaal des Museum Fridericianum platziert. Die Gleichrangigkeit der zeitgenössischen deutschen Abstraktion in der internationalen Kunstgeschichte wurde so selbstbewusst postuliert.

Für die Sammlungen der Museumslandschaft Hessen Kassel ist das vor Ort für die Weltkunstausstellung geschaffene Gemälde von besonderer Bedeutung, betreut sie doch nicht nur mit rund 160 Gemälden und Graphiken einen der größten institutionellen Bestände an Fritz Winters Arbeiten, sondern auch eine umfangreiche Sammlung an documenta-Kunstwerken.

Mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder, der Hessischen Kulturstiftung, der Ernst von Siemens Kunststiftung und des Museumsvereins Kassel konnte Fritz Winters großformatige „Komposition vor Blau und Gelb“ erworben werden.

Fritz Winter (1905–1976) gilt als einer der wichtigsten deutschen Vertreter der abstrakten Malerei. Am Bauhaus in Dessau hatte er als Schüler von Wassily Kandinsky, Paul Klee und Oskar Schlemmer gelernt. Unter den Nationalsozialisten wurde sein Werk als „entartet“ diffamiert. Nach den Jahren künstlerischer Isolation fand Winter rasch Anschluss an die internationale Kunstentwicklung. Er nahm u. a. 1950 an der Biennale in Venedig teil und gehörte zu den Gründungsmitgliedern der „Gruppe der Gegenstandslosen“, später ZEN 49, in München. 1955 beteiligte er sich mit sieben Gemälden an der documenta in Kassel. Im selben Jahr erhielt er den Ruf an die Kasseler Werkakademie, wo er bis 1970 als Professor für Malerei lehrte. Winter arbeitete in dieser Zeit eng mit Arnold Bode, dem Gründer der documenta, zusammen und war zunehmend in die Organisationsstrukturen der Großausstellung eingebunden. An den nachfolgenden documenta-Ausstellungen 1959 und 1964 war er jeweils mit zentralen Werkkomplexen vertreten.

© Dorothee Gerkens

Abbildungen:

1 Fritz Winter, Komposition vor Blau und Gelb, 1955, Öl auf Leinwand, 381 x 615 cm, MHK, Neue Galerie Kassel, M 2021/6

© Foto: Fritz-Winter-Haus, Ahlen

2 Ausstellungsansicht in der Neuen Galerie

© Foto: MHK, Mirja van Ijken