Stockknauf „Bec au corbin“, Porzellanmanufaktur Nymphenburg
Bayerisches Nationalmuseum
Galanterien, wie etwa fein gestaltete Tabatieren, Dosen, Pfeifenköpfe, Pfeifenstopfer oder Stockgriffe gehörten im 18. Jahrhundert zur gängigen Produktion einer jeden Porzellanmanufaktur. Durch häufige Benutzung verbraucht, haben sich jedoch besonders von den kleineren Accessoires der höfischen Gesellschaft nur wenige bis heute erhalten. Auch der in den Akten der Nymphenburger Porzellanmanufaktur erwähnte Stockgriff „Bec au corbin“ war bislang in keiner Ausformung bekannt.
Der Stockgriff ist in Form eines fein geschnittenen Männerkopfs mit pelzverbrämter purpurner Mütze und goldverzierter Halskrause gestaltet, dessen lebendiger Eindruck durch die momenthafte Kopfwendung, das versonnene Lächeln und auch durch den vom Wind bewegten Pelzbesatz der Mütze erzielt wird. Unter der Halskrause ragt zur rückwärtigen Seite hin der Kopf eines blaugefiederten Rabenvogels hervor, dessen eines Auge freundlich, dessen anderes Auge grimmig blickt. Dem großen gebogenen, roten Schnabel verdankt das Modell seinen Namen. Der Ansatz zum Stock ist mit einer vergoldeten Silberfassung versehen. Der in seiner Doppeldeutigkeit witzige Entwurf und die überaus feine, lebendige Modellierung des Stockgriffes verraten die Handschrift des genialen Nymphenburger Modelleurs Franz Anton Bustelli. Dabei handelt es sich bei dem zierlichen Gegenstand um eines der frühesten Modelle, das der seit November 1754 in Nymphenburg tätige Bustelli gleich in seinem ersten halben Jahr für die Manufaktur entworfen hat. Das im August 1755 erstellte Verzeichnis des vorrätigen Porzellans nennt nämlich neben einer ganzen Reihe von kleinen Galanterien unter den Stockgriffen bereits solche, die „Bec au corbin“, also Rabenschnabel, genannt wurden. Das Modell war so erfolgreich, dass es noch nach dem Tod des 1763 verstorbenen Bustelli ausgeformt wurde: in dem gedruckten Preiscourant von 1767 ist es noch immer aufgeführt. Wegen der ausgesprochen feinen Ausarbeitung der Ausformung und der kräftigen, der frühen Nymphenburger Palette entsprechenden Farben handelt es sich bei dem hier vorgestellten Stück sicherlich um ein bereits zu Bustellis Lebzeiten entstandenes Exemplar.
Katharina Hantschmann
Abbildung: