Tahitanische Fischerinnen (P. Gauguin)

Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

Gauguins „Tahitianische Fischerinnen“ von 1891 sind, wie der Oeuvre Katalog von G. Wildenstein nahelegt, vermutlich mit den im Carnet de Taihiti erwähnten „Pecheuses de crevettes“, den Krabbenfischerinnen, identisch. Das auf grober Sackleinwand gemalte, signierte und datierte Gemälde entstand zu Beginn von Gauguins erstem Aufenthalt in der tahitanischen Hauptstadt Papetee, die ihm jedoch noch zu europäisch erschien, so dass er sich dann, 25 Meilen von dieser entfernt, im Inneren der Insel niederließ.

Das Gemälde gibt eine Szene jener ländlichen Umgebung wieder und zeigt eine Gruppe junger Frauen an einem Gewässer. Drei von ihnen beschreiben im rhythmischen Lineament einem zum Betrachter hin offenen Halbkreis, während eine vierte Frau schräg hinter einem Baum zu sehen ist.

Die vom Künstler festgehaltenen Bewegungen der Figuren scheinen zum natürlichen und selbstvergessenen Leben auf Tahiti zu gehören, haben jedoch ihre Vorbilder in der europäischen Kunst. Die dank ihrer exotischen Motivik tropisch wirkende Szenerie lässt sich auf Kompositionen von Nicolaus Poussin (1593-1655), Jean Auguste Ingres (1780-1867) und Eugène Delacroix (1789-1863) zurückführen. Die rechts hockende Figur findet sich in einem Pastell des von Gauguin so bewunderten Edgard Degas (1863-1917) wieder. Nicht nur ihre Körperhaltung, sondern auch die von der Frau ausgehende Melancholie verweisen auf europäische Wurzeln. So liegen denn auch in anderen Bildern Gauguins der Darstellung passiven und paradiesischen Daseins Kompositionsmuster der abendländischen, zuweilen der ägyptischen und javanischen Kunst (Borobodur), zugrunde.

In der charakteristischen Verschmelzung exotischer Lebenswelten und europäischer Tradition bleibt Gauguin nicht nur für die nachfolgende Generation der Expressionisten, sondern darüber hinaus für das ganze Jahrhundert legendäres Vorbild.

Angela Schneider

Abbildung: ©Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Jörg P. Anders
Paul Gauguin (1848-1903)
Tahitianische Fischerinnen, 1891
Öl / Leinwand, 71 x 90cm
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin