Van de Velde-Mobiliar für Weimarer Museumsräume
Klassik Stiftung Weimar
Im Verlauf seiner wechselvollen Lebensreise war die beschauliche Residenzstadt Weimar zwar nur eine längere Episode, gleichwohl entfaltete der »Alleskünstler« Henry van de Velde (1863–1957) gerade hier von 1902 bis 1915 seine breiteste Wirksamkeit. In den Jahrzehnten der deutschen Teilung wurde sein Œuvre in Weimar allerdings lange Zeit ebenso marginalisiert wie die Leistungen des Bauhauses, das 1919 auf seine Anregung in den von ihm entworfenen Schulgebäuden gegründet wurde. Nach der Wende zielte folglich die Sammeltätigkeit der Klassik Stiftung Weimar vermehrt auf Werke des Belgiers und herausragende Arbeiten des Bauhauses. Dies gelang in vielen kleinen Schritten, so dass heute die Weimarer Bestände in Umfang und Vielfalt als weltweit einzigartig gelten. Dies ist nicht zuletzt der Sammlung von Dr. Helmut Reuter zu verdanken, an deren Erwerb sich die Ernst von Siemens Kunststiftung großzügig beteiligt hat.
Drei frühe Arbeiten van de Veldes ergänzen hervorragend unseren Bestand an Mobiliar. Neben dem Schreibtisch für seinen Hausarzt Dr. Hubert Clerckx ist dies ein kleiner Beistelltisch für den Maler Curt Herrmann, seinem ersten deutschen Kunden in Berlin, sowie ein Armlehnsessel für das Berliner Arbeitszimmer von Helene Gräfin Harrach, eines der elegantesten Sitzmöbel, das er je schuf. Im engen musealen wie räumlichen Kontext zum Neubau des Bauhaus-Museums werden die Exponate ab April 2019 im Neuen Museum die Entwicklungslinien aufzeigen, die van de Velde von einem Künstler des Art Nouveau zum Propheten eines Neuen Stils vollzog. Die Stücke datieren von 1897/98, dem ersten Höhepunkt in der Karriere des Flamen, und begründeten nicht zuletzt seine weltweite Bekanntheit. Daneben erwarb die Ernst von Siemens Kunststiftung fünf bedeutende Keramiken aus den Jahren 1902/03.
Als einzigartig darf der unikale Schreibtisch gelten, der bereits 1897 alle Merkmale aufweist, die van de Veldes Rang als Wegbereiter der Moderne begründeten. Das Möbel ist konsequent auf seine Funktion reduziert und verzichtet auf jegliches Ornament. Allein die Linie und deren Schwung geben dem Schreibtisch Kontur und drücken sein Credo aus: »Die Linie ist eine Kraft«.
Dr. Thomas Föhl
Abbildung: Henry van de Velde (1863 – 1957): Armlehnsessel (1897/98); Adouk, Leder (original), 86 cm x 65 cm x 60 cm; Schreibtisch (1897), Mahagoni, Glas, Leder, 79,5 cm x 197 cm x 65,6 cm.