Was blüht denn hier so neu-sachlich? Aus dem Nachlass Blossfeldt, 1900/1925
Bayerische Staatsgemäldesammlungen München
Die photographischen Pflanzenstudien von Karl Blossfeldt zählen zu den Schlüsselwerken der künstlerischen Photographie des frühen 20. Jahrhunderts, insbesondere der Photographie der Neuen Sachlichkeit und des Neuen Sehens. Im Zusammenhang mit seiner Lehrtätigkeit an der Lehranstalt des Königlich Preußischen Kunstgewerbemuseums in Berlin (heute Universität der Künste) in den Jahren von 1898 bis 1930 schuf Blossfeldt zahlreiche Pflanzenstudien, die in vielfacher Vergrößerung die plastischen Qualitäten von Naturformen sichtbar machen. Zunächst nur als Vorlagen für das Zeichnen und Modellieren im Unterricht gedacht, wurden sie mit einer Ausstellung in der legendären Berliner Galerie Nierendorf 1926 erstmals auch als eigenständige Kunstwerke gewürdigt. In den folgenden Jahren veröffentlichte Karl Blossfeldt zwei wegweisende Bücher, Urformen der Kunst (1928) und Wundergarten der Natur (1932), die heute zu den Inkunabeln der Photographiegeschichte zählen. Photographien von Karl Blossfeldt haben sich in verschiedenen musealen Sammlungen weltweit nur vereinzelt erhalten, lediglich die Universität der Künste, Berlin, verfügt über umfangreichere Bestände, die jedoch seinerzeit als Arbeitsmaterialen in Benutzung waren. Im Gegensatz dazu zeichnet sich das vorliegende Konvolut – die 15 Photographien sind Teil eines Konvoluts von insgesamt 75 Werken – durch eine repräsentative Auswahl sowie eine äußerst detaillierte Ausarbeitung der einzelnen Abzüge aus. Es liegt daher der Schluss nahe, dass Blossfeldt hiermit ein Konzentrat seines Schaffens vorlegen wollte. Alle Photographien sind Originalabzüge des Künstlers aus der Entstehungszeit der Aufnahmen. Mal-, Kratz- und Schaberetuschen auf einzelnen Photographien verweisen auf eine sorgfältige und kenntnisreiche, manuelle Nachbearbeitung. Der Zustand der Photographien ist eingeschlossen altersbedingter Gebrauchsspuren durchweg als sehr gut zu bezeichnen. Mit dem Erwerb des Blossfeldt-Konvoluts sowie der 2010 erfolgten Gründung der Stiftung Ann und Jürgen Wilde, die den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen angegliedert ist, erweitert die Sammlung Moderne Kunst ihre Photographieabteilung um eine substantielle Sammlung zur Photographie der Klassischen Moderne.
Dr. Inka Graeve Ingelmann
Abbildung:
Karl Blossfeldt, Vintage prints aus dem Nachlass Blossfeldt (Sammlung Wilde), 1900/1925, Silbergelatinepapier je 30 cm x 24 cm bzw. je 30 cm x 12 cm, © Bayerische Staatsgemäldesammlungen München