Werke von Horst Janssen aus der Sammlung Blessin, 1977/1982
Horst-Janssen-Museum, Oldenburg
Horst Janssen gehört zu den größten Zeichnern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er hinterließ ein gewaltiges Werk mit Tausenden von Zeichnungen, Aquarellen und Druckgrafiken. Die aus mehr als 300 Werken bestehende Sammlung Blessin gehört dabei zu den attraktivsten Privatsammlungen seines Werks. Der Hamburger Germanistik-Professor Stefan Blessin hatte Janssen zu Beginn der 70er Jahre kennengelernt. Er wurde zu einem wichtigen Gesprächspartner und verfasste dessen erste Biografie.
Die herausragende Qualität von Blessins Sammlung gründet auf ihrem hohen Anteil an kostbaren Handzeichnungen und Aquarellen. Durch ihren Erwerb konnte der bisherige Bestand des Horst-Janssen-Museums, die Claus-Hüppe-Stiftung, in exzellenter Weise ergänzt werden. Der Schwerpunkt der Blessin-Sammlung liegt auf Janssens Frühwerk und dessen druckgrafischen Werken – wie den großen Holzschnitte, den Lithografien und Radierungen.
Seit den 1970er Jahren zeichnete Janssen intensiv nach der Natur. Ihn faszinierten die Landschaft und die unmittelbar vor Augen liegenden kleinen Dingen des täglichen Lebens: die verendeten Insekten und Vögel, die abenteuerlichen Formen und Farben verwelkender Pflanzen und vertrocknender Früchte. Die vorliegende Blei- und Buntstiftzeichnung ist ein reizvolles Beispiel dafür.
Die auf dem Papier notierte Inschrift – zu „sein abenteuerliches Herz“ – gibt weiteren Aufschluss über den Kontext und Janssens Intentionen, indem sie auf den Adressaten des Blattes verweist. Janssen arbeitete Ende 1979 intensiv daran, den großen deutschen Schriftsteller Ernst Jünger zu seinem 85. Geburtstag mit einem eigenen Beitrag zu ehren. Kaum eine Lektüre hat Janssen so inspiriert wie Jüngers Textsammlung „Das abenteuerliche Herz“ von 1934 (in seiner zweiten Fassung). Janssen fühlte sich Jünger eng verbunden und war wie er der Meinung, dass wir die sichtbaren Dinge viel zu flüchtig betrachten und uns dadurch um die eigentliche Erlebnisqualität und die Tiefe des Geschauten bringen.
Die Oberfläche, der schöne Schein der Welt und dessen Zusammenhang mit den tiefer liegenden verborgenen Kräften – der Gang des Lebens hin zum Verfall – ist ein Grundthema von Janssens Kunst und im kontrastreichen Gegenüber von Kern und Hülle auf der Zeichnung eindrücklich erlebbar.
Dr. Sabine Siebel