Werkstatt des Niklaus Weckmann, Trauernder Johannes (aus einer Beweinung Christi) 1510/20

Bayerischen Nationalmuseum, München

Die eindrucksvolle Figur des trauernden Johannes stammt aus einer Beweinungsgruppe. Kontaktflächen an beiden Seiten des Sockels bestätigen, dass das Bildwerk ursprünglich Teil eines größeren Ensembles war. Seit ihrer ersten Veröffentlichung (1904) gilt die Figur als schwäbisch. Schon seit 1918 wird sie mit anderen Werken einer Gruppe zugeordnet und seit 1964 schrittweise unter dem Namen des Ulmer Schnitzers Niklaus Weckmann (1481-1528 in Ulm nachweisbar) subsumiert. Heute führt man nicht weniger als 600 Bildwerke auf dessen Werkstatt zurück.

Das breite, ebenmäßige, abgeklärte und doch lebensnah wirkende Jünglingsgesicht des Johannes – sein üppiges Haar wird wie von einer Perücke umschlossen – findet man mehrfach im Umfeld der Weckmann-Werkstatt. Als besonders ähnlich erweisen sich der Cyriakus des „Talheimer Altars“ und die Figuren vom Westportal des Ulmer Münsters. Der reizvolle Kontrast zur glatten Oberfläche des Gesichts wird durch die Plastizität und die Verteilung der weit geschwungenen, im Einzelnen jeweils anders gelegten Locken noch verstärkt. Wie bei den Figuren des Münsterportals läuft das ansonsten eckig brechende Gewand über der Bodenplatte in weich gebogenen Säumen aus. Sowohl der Kopftypus als auch das kontrastvolle Spiel von Gesicht und Haar sind bereits im „Blaubeurener Hochaltar“ der ebenfalls von Ulm aus agierenden Erhart-Werkstatt vorgebildet. Bei Erhart findet man auch die engsten Parallelen zur Durchbildung der Falten im Gewand des Johannes, die im Schaffen des Weckmann-Ateliers seltsam isoliert dastehen. Dass die Skulptur dennoch aus der Weckmann-Werkstatt stammen muss, belegt eine technische Besonderheit wie die separate Aushöhlung des Kopfes („Spechtlöcher“). Die Münsterfiguren entstanden kurz vor 1500, der Talheimer Altar erst um 1520. Wegen der stilistischen Nähe zu den Erhart-Werken sollte der trauernde Johannes nicht zu spät datiert werden.

Für die Weckmann-Werkstatt sind verschiedene, schon ursprünglich holzsichtige Arbeiten gesichert, doch dürfte der Johannes einst farbig gefasst gewesen sein.

Matthias Weniger

Abbildung:

Werkstatt des Niklaus Weckmann, Trauernder Johannes (aus einer Beweinung Christi) 1510/20
© Bayerischen Nationalmuseum, München