Wilhelm Lehmbrucke , Kniende
Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Wilhelm Lehmbrucke schuf 1911 in Paris seine „Kniend“ in Gips. 1920 bestellte die Skulpturensammlung Dresden posthum einen Steinguß aus der im Atelier bewahrten Form. Die Figur wurde bei der NS-Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt und 1939 in die USA verkauft. Die Skulptur „Kniende" ist in der Form und in ihrer Gehalts-Ästhetik das entscheidende Werk zur eigentlichen expressionistischen Spätphase Lehmbrucks.
Ungeachtet des „antikischen", über die Beine herab-gleitenden Mantels ist jeder klassische Rest abgestreift. Die kniende Frau neigt selbstvergessen das Haupt nach links. Sie legt ihre Linke auf den vorgestellten linken Oberschenkel und hebt die offene Rechte vor die Brust. Die überdehnten Proportionen, der Aufbau aus sperrigen Geraden und rechten Winkeln und das lyrische Motiv der Versunkenheit bestimmen den ekstatisch-resignativen Ausdruck der Skulptur. Thematisiert wird der Konflikt zwischen Körper und Geist, zwischen Triebstruktur und Willen.
Der Dichter Theodor Däubler bezeichnete 1916 das Werk als „Vorwort zum Expressionismus in der Skulptur". Von den ehemals insgesamt vier Steingüssen sind nur mehr zwei erhalten (heute: Skulpturensammlung Dresden, Museum of Modern Art, New York). „Die Rückkehr der bedeutenden Figur nach Dresden setzt einen alten und neuen Akzent für die Dokumentation und die Gültigkeit der europäisch-expressionistischen Kultur* (zit. Schubert 1994, S. 27).
Heiner Protzmann
Abbildung: Wilhelm Lehmbruck (1881 - 1919): Kniende, Paris 1911/1920 Steinguß (Englischer Zement, graugrün bis ocker getönt); H. 179 cm , © Staatliche Kunstsammlungen Dresden