Willi Baumeister, Tennisspieler mit Zuschauern und Figur vor Badezelt, 1929/30

Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin

Die Zeichnungen Tennisspieler mit Zuschauern und Figuren vor Badezelt, beide der 1926 begonnenen Werkgruppe der Sportbilder zugehörig, markieren auf unterschiedliche Weise einen Wendepunkt in der Entwicklung der abstrakten Bildsprache von Willi Baumeister. Der 1889 in Stuttgart geborene Malers profilierte nach Ende des Ersten Weltkriegs im nationalen und internationalen Kunstbetrieb. Seine geometrisch konstruierten Figuren und reliefartig gestaffelten Bildräume bezeugen dabei den Dialog mit zeitgleichen Bemühungen am Bauhaus (etwa bei seinem Freund Oskar Schlemmer), dem russischen Konstruktivismus und dem spätkubistischen Purismus eines Fernand Léger. Gegen Ende der 1920er Jahre jedoch werden die teilweise maschinenhaft anmutenden idealisierten Figuren bei Baumeister durch biomorphe, ins Archaische verweisende Formen aufgeweicht – und schließlich aufgelöst. In Tennisspieler mit Zuschauern operiert der Künstler noch mit Lineal und Zirkel, um den Bildraum und die beiden Protagonisten zu konstruieren, doch finden sich gleichzeitig schon weich fließende Linien und organische Elemente. Bemerkenswert ist der Einsatz einer Pseudo-Collage: Zwischen die großen Figuren ist ein kleines Bild gefügt, das ausschnitthaft wie eine Fotografie einen Tennisplatz mit Balljungen sowie Zuschauern im Hintergrund wiedergibt. Während dieses Bild im Bild mit starker Abdunkelung arbeitet, befinden sich die beiden Hauptfiguren in einem diffusen, hellgrau schraffierten Raum. Bei Figuren vor Badezelt geht Baumeister in der Anlage biomorpher Formen weiter: Nur mehr das architektonische Setting mit der zentralen, durch einen gestreiften Vorhang geschlossenen Badekabine wird unter Verwendung des Lineals mit dem Bleistift entwickelt. Die beiden vor der Kabine positionierten Figuren hingegen setzen sich aus abgerundeten, frei Hand gezeichneten Einzelformen zusammen, die an Steine oder Wolken erinnern. Zur Stabilisierung dieses Gebildes aus ineinander fließenden Formen nutzt Baumeister ein zweiteiliges Gerüst aus roten Linien.


Andreas Schalhorn

Abbildung: Willi Baumeister, Figuren vor Badezelt, 1930, Bleistift, Kohle, gewischt, und Ölkreide auf chamoisfarbigem Zeichenkarton, 33,9 x 24,6 cm Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Inv. Nr. FV 156

© VG Bild-Kunst, Bonn 2020 / © Willi Baumeister Stiftung