Zeitlose Erzählung in Elfenbein: Die Passion Christi im Meisterwerk von 1280-1300

Museum Schnütgen Köln

Es handelt sich um den rechten Flügel eines Diptychons, das in drei Registern Szenen aus der Passion Christi darstellt. Der linke Flügel befindet sich im Musée du Louvre in Paris. Die Folge der Szenen erstreckte sich von unten links nach oben rechts über beide Seiten der aufgeklappten Doppeltafel. Das nun für das Museum Schnütgen erworbene Relief zeigt die Szenen Christus befragt durch Pilatus, die Verspottung Christi, dem ein Tuch um den Kopf gebunden wird, die Kreuzigung mit dem blinden Longinus und Stephaton mit dem Essigeimer, die Kreuzabnahme mit Joseph von Arimathia, der Christus umarmt, während Nikodemus ihm mit einer langen Zange den Kreuznagel aus den Füßen zieht, die Frauen am leeren Grab, dem Bild für die Auferstehung Christi, und Christus, der Adam und Eva aus der Vorhölle befreit. Die Schnitzarbeit ist außerordentlich qualitätvoll, räumlich-plastisch mit tiefen Hinterschneidungen. Die weich fließende Gewandung der lebendigen Figuren ist in einfachen Formen zusammengefasst und betont umso mehr deren ausdrucksvolle, emotionale Körpersprache und Gestik. Zwei Stege, welche horizontal die Bildregister voneinander trennen, sind von unten mit Rosetten geschmückt.

Für das Museum Schnütgen ist der Ankauf ein bedeutender Zugewinn für die bislang eher kleine Sammlung an französischen Elfenbeinreliefs aus dem Zeitalter der gotischen Kathedralen. Das Objekt stammt aus der Zeit der Errichtung der mittelalterlichen Teile des Kölner Doms, einer Phase, in der in Köln nicht nur in Architektur und Großplastik sondern vermutlich auch in einer eigenen Produktion von Elfenbeinschnitzereien Anregungen aus den Werkstätten im französischen Kronland begierig aufgegriffen wurden. Neben Beispielen der Museumssammlung von Elfenbeinen, für die eine Entstehung in Köln angenommen wird, bietet dieses von Danielle Gaborit-Chopin um 1280-1300, vermutlich nach Paris eingeordnete Relief eine hervorragende Möglichkeit, den Dialog zwischen Kölner und Pariser Kunst im Museum Schnütgen zeigen zu können.

Moritz Woelk

 

Abbildung:
1 Elfenbein mit geringen Spuren farbiger Fassung, 18,4 x 9,2 x 1 cm, Museum Schnütgen, Köln Inv. B 177, Fotonachweis: © Museum Schnütgen, Köln
2 Elfenbein mit geringen Spuren farbiger Fassung, 18,4 x 9,2 x 1 cm, Museum Schnütgen, Köln Inv. B 177, Fotonachweis: Museum Schnütgen / Nina Gschlößl Fotografie